忘れ去られた臓器

1679–80 Hamburger
St. Johannis Kirche

Die Cappeler Arp Schnitger Orgel war ursprünglich 1679–80 mit Hauptwerk, Rückpositiv und Pedal für die Hamburger St. Johannis Kirche gebaut worden.

Im Zuge der französischem Besatzungszeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts diente die Klosterkirche als Magazin. Die Orgel wurde deshalb 1813 abgebaut und später von der Hamburger St. Petri Kirche für 600 Reichstaler nach Cappel verkauft. Hier war 1815/16 nach dem verheerenden Kirchenbrand im Jahr 1810 eine neue Kirche erbaut worden. Eine Cappeler Delegation reiste am 16. Juni 1816 nach Hamburg, um die Orgel abzuholen. Verpackt in Holzkisten, reiste die Orgel per Schiff von Hamburg nach Cuxhaven. Am 29. Juni 1816 war die Überführung der Orgel abgeschlossen. Mit Johann Georg Wilhelm Wilhelmy (Stade) schloss man einen Kontrakt, in dem er sich verpflichtete, die Orgel für 385 Reichstaler wieder aufzubauen und einzurichten.

Die Flammenornamente im Mittelturm wurden wahrscheinlich von Wilhelmy angebracht, ebenso wie der runde Giebel im Rückpositiv, der die herausragenden Pfeifen verdeckt, die aufgrund der höheren Aufstellung der Orgel in Hamburg nicht sichtbar gewesen waren. Wilhelmy ersetzte auch die sechs Keilbälge durch drei neue, die aber in der Bauweise denen von Schnitger ähnelten und eine vergleichbare, atmende Windversorgung garantierten. Zusätzlich wurde Wilhelmy beauftragt, einen Zimbelstern einzubauen. Aufgrund der niedrigeren Deckenhöhe gegenüber Hamburg konnten die Christus- und Engelfiguren nicht mehr auf dem Hauptwerk platziert werden und fanden fortan auf dem Kanzelaltar Verwendung. Seitdem weist Johannes der Täufer, die mittlere Figur auf dem Rückpositiv, mit seinem Zeigefinger nicht mehr auf die Christusfigur, sondern ins Leere.

Endabrechnung des Orgelaufbaus im Jahr 1816.

Endabrechnung des Orgelaufbaus im Jahr 1816.

Bis 1927 wurden das Instrument durch verschiedene Orgelwerkstätten aus Stade gewartet, ohne dass Eingriffe in die Substanz erfolgten.

1928 wies Christhard Mahrenholz in einem Gutachten auf die besondere Bedeutung der Orgel hin und empfahl eine Renovierung und Instandsetzung der zwischenzeitlich stillgelegten Register.

1932 baute die Orgelwerkstatt P. Furtwängler & Hammer ein elektrisches Gebläse ein.

1937–39 erfolgte eine erste Renovierung durch Paul Ott, der die ursprüngliche Disposition wiederherstellte: Im Pedal ersetzte man die später hinzugefügte Trompete 4′ durch ein Cornet 2′, versetzte die Sifflöte 1′ wieder in die 11/2′-Lage und machte die Veränderung des Tertians in eine hohe Rauschpfeife rückgängig. Allerdings wurde an den Zungenstimmen Veränderungen vorgenommen, indem die Belederungen entfernt und dafür die Schlitze verkleinert wurden.

1976–77 wurde die Orgel von Rudolf von Beckerath (Hamburg) nach Heizungsschäden instand gesetzt und die historische Substanz gesichert. Eingegriffen wurde nur, um spätere Veränderungen an den originalen Zustand anzupassen oder rückgängig zu machen, wie beispielsweise die fehlende Belederung der Zungenkehlen. Auch wurde die nicht ursprüngliche gleichstufige Stimmung vorläufig beibehalten. Die zwei verloren gegangenen Register Cimbel III und Cornet 2′ wurden rekonstruiert.

Im Jahr 2009 wurde die Balganlage von Beckerath restauriert und die Kirchenrückwand saniert.

Restaurierungen im 20. Jahrhundert

Die zinnernen Prospektpfeifen sind die einzigen Schnitgers, die vollständig erhalten sind und 1917 nicht für Rüstungszwecke abgetreten werden mussten.

Arp Schnitger

Arp Schnitger wurde 1648 in Schmalenfleth geboren.
Er übernahm 1678 nach dem Tod seines Lehrmeisters Berend Hus die Orgelwerkstatt in Stade (an der Elbe), dem damals schwedischen Verwaltungszentrum für das Gebiet zwischen Elbe und Weser. Mit dem Auftrag zum Bau seines größten Werks in der Hamburger Nicolaikirche im Jahre 1682 verlegte er seine Werkstatt nach Hamburg. Von dort baute er sehr viele Instrumente im norddeutschen Raum, in den Niederlanden und exportierte Orgeln nach Russland, England, Spanien und Portugal.
Arp Schnitger war der erste “europäische” Orgelbauer, dessen Stil im 18. Jahrhundert schulebildend war und im 20. Jahrhundert zu einem wichtigen Vorbild im kunsthandwerklich orientierten Orgelbau weltweit wurde.